Sonntagsgedanken

Selten war es hier an einem Sonntag so ruhig. Die Autos kann man wenn dann einzeln hören. In vier Stunden ein Langstreckenflieger und ein Sportflugzeug am Himmel. Ansonsten konnte man hier heute echt den Wind in den Tannen hören. Dazu strahlender Sonnenschein und makelloser blauer Himmel.

Erst habe ich ja noch überlegt irgendwo spazieren zu gehen. Aber als ich gerade Blätter und Co. aus den Teichen fischte, wurde mir plötzlich schwarz vor Augen und ich fiel rückwärts auf den Allerwertesten. Mir blieb kurz richtig die Luft weg.

Also blieb ich Zuhause, genoss die Sonne auf der Terrasse und strengte mein Hirn ein paar Stunden mit einem Buch von Stephen Hawking an. Danach war ich voller Sonnenenergie und mein Kreislauf wieder friedlich.

Während ich mich also ans Kochen machte, dachte ich über den kleinen Blackout am Morgen nach. Gut, ich bewege mich gerade nicht genug. Arbeite ja schon dran. Aber sonst? Krank fühle ich mich nicht. Ich bin auch nicht gestresst gerade. Ja, ich rege mich über manches auf, was gerade so passiert. Aber ich ticke so. Ich mecker und dann ist es gut, weil ich am Ende weiß, dass sich gewisse Dinge nicht ändern werden, bzw. ich sie nicht allein ändern kann. Oder ich gehe es eben an, was in meinen Möglichkeiten liegt.

Aber die aktuelle Situation knabbert glaube ich doch etwas an mir. Ich bin ein Mensch, der beruflich viel Verantwortung trägt und das auch kann. Ich muss planen können, viel Geld verwalten, viele Menschen steuern, Risiken einschätzen und beseitigen. Ich muss Kugeln für meine Leute abfangen, mir manchmal viel Unfairness gefallen lassen und auch wenn es überall brennt die Ruhe bewahren. Und ich kann das. Und auch wenn es viele nicht glauben, es macht mir Spaß. Und auch im Privatleben stehe ich komplett auf meinen eigenen Beinen und denke dort genauso strukturiert, planvoll und vorausschauend. Und auch, wenn es mir gerade an nichts fehlt, diese neue Situation geht nicht spurlos an mir vorbei. Auch wenn es nicht so ist, als wenn ich so etwas nie für möglich gehalten hätte.  Und das Menschen in bedrohlichen Situation nicht rational denken und handeln ist mir auch bestens bekannt. Aber wenn so etwas tatsächlich eintritt ist es trotzdem neu und ungewohnt.

Lacht mich ruhig aus, aber ich bin heute früh aus einem Traum hochgeschossen, in dem ich im Supermarkt war und obwohl die Regale voll waren, nahm mir immer gerade jemand vor der Nase das weg, was ich brauchte. Denn andere griffen einfach wild zu, während ich noch meinen Einkaufszettel las und überlegte, welche Marke ich nehmen soll. Ich war gerädert, als ich aufwachte. Gut, inzwischen lache ich jetzt drüber. 😂

In den Medien ist zu lesen, dass die momentane Situation Ängste durch Kontrollverlust hervorrufen kann. Und auch, wenn ich mich nicht gestresst fühle und auch keine Angst habe, ich glaube die verwöhnte kleine Wohlstandsgöre in mir muss jetzt gerade mal etwas Geduld lernen. Und Geduld ist nicht unbedingt meine ausgeprägte Stärke, weiß ich ja.

Aber mal im Ernst. Wir sind es in diesem Teil der Welt gewohnt, dass jederzeit alles im Überfluss vorhanden ist. Dass wir absolute Freiheit genießen, wann wir wohin gehen (im Rahmen der Gesetze natürlich). Und ich weiß das nicht erst seit zwei Wochen zu schätzen. Ich habe ein solides Dach über dem  Kopf, eine Sozialversicherung, genug Geld um mich mehr als gut zu verpflegen und ich darf frei leben. Und einigermaßen gesund bin ich auch. Das ist weit mehr, als das was viele Menschen auf der Welt von sich sagen können. Aber auch wenn man diese Dinge zu schätzen weiß, derzeit hält uns Corona vor Augen, wie schnell sich Dinge auf sehr unangenehme Art ändern können. Und wir können gerade speziell als Einzelner nicht viel dagegen tun und wir wissen nicht was noch kommt und wann. Und das wir das nicht alles lächelnd wegstecken ist wohl auch nur verständlich.

Aber ich glaube es kommt jetzt auch sehr darauf an, dass wir Geduld mit uns selbst haben. Uns nicht mit Infos überfrachten und unsere Gedanken bewusst auf andere Dinge lenken, damit es uns nicht den Schlaf raubt. Auch wenn das Thema gerade allgegenwärtig ist und man ihm kaum ausweichen kann.

Auch unsere Politiker verlieren momentan manchmal die Contenance. Aber auch das sind nur Menschen, die gerade mit einer unbekannten Situation umgehen müssen und deren Entscheidungen Auswirkungen auf Millionen von Menschen haben. Die direkte Konsequenzen wie sterbende Menschen haben können. Das muss man erst einmal leisten können. So gab es heute auch massiv Streit um das Thema Ausgangssperre. Und ich glaube auch in der Bevölkerung ist man zu dem Thema genauso gespalten. Jetzt aktuell könnte ich auch noch tönen: Klar, macht das. Denn ich möchte, dass diese Situation so schnell wie möglich vorbei geht. Aber was ist, wenn ich es dann tatsächlich für Tage oder Wochen nicht mehr machen kann, speziell nicht darf? Und ich bin immer noch mit einem Garten gesegnet, ich muss mich nicht um unruhige Kinder kümmern oder den Hund ausführen. Denn auch wenn rigorose Maßnahmen vielleicht zu einer schnelleren Verbesserung der Situation führen können, können noch mehr Einschränkungen auch schnell zu einem kippen der Moral führen. Jemand der sonst nicht mehr raus darf und dann im Supermarkt vor leeren Regalen steht und Puls kriegt, lässt es auch dann genau dort raus. Oder an der Familie, den Nachbarn, etc. Erfahrungswerte diesbezüglich gibt es aus China und den dort zurückliegenden Einschränkungen. Ruhe bewahren und die Leute nicht noch mehr in eine Schleife aus Gedanken, Sorgen und Angst zu treiben ist gerade das oberste Gebot.

Somit ist neben Geduld mit uns selbst auch Geduld und Verständnis für andere angesagt. Und auch die Auswirkungen unseres Handelns auf andere zu überdenken. Denn vor allem wenn sich die Menschen als unreif für den Umgang mit der aktuellen Situation zeigen, wird man ihnen weitere Einschränkungen auferlegen. Die Ungewissheit verbindet uns alle. Viele von uns machen sich Sorgen und müssen lernen mit den Herausforderungen umzugehen.

Viele Grüße aus Ruhr York

Pottnudel


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