Sonntags(un)ruhe

 Wenn hier im Pott auf eins Verlass ist, dann dass sobald sich die Sonne zeigt, Wolken von feurigem Geruch aufsteigen. So auch gestern Abend. Ich war gerade selbst auf dem Weg zu einem Grillevent, Scheibe halb runter, damit der laue Wind meinen verbrannten Nacken kühlt, stetig begleitet vom Geruch des Holzkohlefeuers. Hach...

Entsprechend ruhig ging es heute am späteren Morgen mit einer Tasse Kaffee weiter. Hatte ich das Vogelkonzert hier schon mal erwähnt? Man konnte es heute eher semi-gut hören. Denn irgendwo klackert hier ständig irgendeine Gerätschaft. Zwischendurch brummt sie auch. Ich habe keine Ahnung woher das kommt oder was das ist. Jedenfalls nervt es. Irgendwann gegen Mittag verstummte es. Um gleich darauf durch einen Höllenlärm von meiner Nachbarin unter mir abgelöst zu werden. Diese ließ ihren Hund immer wieder auf eine Wippe springen, die dann krachend mitsamt Hund zu Boden fiel. Hätte man auch auf dem Rasen machen können. Oder am Sonntag auch mal gar nicht. Man sieht sie sonst nie im Garten. Aber heute.

Irgendwann hatte das ganze ein Ende und ich lehnte mich gemütlich auf der Sonnenliege zurück, da surrte eine Drohne über meinem Kopf. Mal ganz davon ab, dass Drohnen im Wohngebiet ja nix in der Luft zu suchen haben, muss ich das einem schlecht gelaunten Wespenschwarm gleichende Geräusch weder am Sonntag noch sonst wann über mir haben. So Interessant kann ich ja nicht sein. 

Obwohl, wer weiß. Eine Nachbarin, die ich gestern zum ersten Mal traf, erzählte mir, wie toll mein Balkon doch eingerichtet sei. Ich sah sie fragend an, worauf sie ohne scheu erzählte, dass sie mal einen Blick riskiert habe, in dem sie sich über ihre Brüstung gelehnt hatte und an der unsere Balkone trennende Mauer vorbei gelinst hatte. Ich musste schon lachen, allein ob der Ehrlichkeit. Ansonsten haben wir uns ganz nett unterhalten. Ich habe mir dabei erstmal schön den Nacken verkohlt. 

Trotzdem will ich nicht gefilmt werden und so warf ich der Drohne einen sehr unfreundlichen Blick zu, worauf sie dann auch verschwand. 

Ich döste also wieder etwas weg, als hinter mir dann plötzlich der dritte Weltkrieg ausbrach. Drei Kinder, die sich beim Spielen im Schreien überboten. Diese Kinder haben einen Fußballfeldgroßen Spielplatz im Garten. Aber "spielen" tun sie am liebsten vor dem Haus, unter meinem Balkon. Also, ich muss doch jetzt mal Omas Satz rausholen: Bei uns hätte es das nicht gegeben. Ich bin zwar noch etwas vom Oma-Alter entfernt, aber wenn wir als Kinder sonntags draußen so ein Theater veranstaltet hätten, hätten wir den Rest des Tages drinnen verbracht. Und zwar nicht vor dem Fernseher... 

Sollte also nicht sein mit der Ruhe. Also holte ich mir mein Buch, als meine Nachbarin die zweite Runde Wippe-Springen mit ihrem Hund einläutete. Alter...

Also wenn ich mal so Zwischenfazit ziehe, hier ist es nicht wirklich ruhiger, als im Ghetto. Allerdings hat der Lärm eine andere "Qualität". Es ist weniger Aggression und mehr Abwechslung dabei. Meist sind es Leute, die einem normalen Leben nachgehen und dabei einfach vergessen, dass sie nicht allein sind auf der Welt. Und ich denke, die meisten meinen es nicht mal böse. Die Grundeinstellung der Rücksichtnahme, mit der ich noch aufgewachsen bin, hat sich einfach verändert. Es herrscht eher die Annahme vor, das eigene Wohl stehe über allem und was interessieren mich die anderen? Hat man in den letzten Monaten ja auch sehr gut beobachten können. 

Inzwischen sind die Kinder hinter das Haus gezogen, das Klackern und der Hund sind weg. Vorsichtig optimistisch atme ich durch. Und dann donnerst es mal so richtig schön und schon plätschert der Regen los. Ich habs verstanden. Gehe dann jetzt mal Wäsche aufhängen und danach suche ich nach einer einsamen Insel in der Südsee.

Viele Grüße aus Ruhr York

Pottnudel


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