Die Kunst des Gedankenlesens

Da sitze ich nun. Weihnachten ist rum. Mein neuer Laptop ist startklar für den  Bewerbungsmarathon. Muss mich echt noch an die Tastatur gewöhnen... Aber immerhin stürzt das neue Modell nicht mehr alle paar Minuten ab und ich muss das Ladekabel nicht exakt in einem bestimmten Winkel abklemmen, weil es sonst nicht mehr lädt und kann so recht entspannt sitzen. Außerdem wiegt er gefühlt 100 Kilo weniger und braucht keine halbe Stunde zum Hochfahren. Hachjaschön...

Und nun beschäftige ich mich also mit der hohen Kunst des Bewerbungsschreiben. Hatte mal ein paar Leute im Freundeskreis gefragt, worauf sie so achten, sofern Personalverantwortung vorhanden. Die leider nicht so hilfreiche Antwort war meistens:

1. Frei Schnauze
2. Gerade die Ungewöhnlichen bekommen eine Chance
3. Hauptsache Nase passt, den Rest lernt man
4. Lese das meiste gar nicht
5. Bauchgefühl

An sich schon mal cool, denn was Personaler teils für eine Wissenschaft aus der ganzen Sache machen, ist manchmal schon sehr unterhaltsam. Und meine Leute sind glücklicherweise nicht so gepolt. Aber gut, will ja jeder seine Daseinsberechtigung haben, ne? Andererseits weiß ich aus leidvoller Erfahrung ja auch selbst, wie schwer es ist aus ein paar Seiten Papier abzuschätzen, ob der Bewerber was taugt.

Dann bekam ich über Ecken eine Rückmeldung auf meine Unterlagen von einer Person in leitender Position, die ich gar nicht kannte. Das war sehr erhellend, denn es ist genau das Feedback, was man niemals von einem Unternehmen bekäme, wo man sich bewirbt. War aber auch sehr ernüchternd zugleich. Denn was die Person aus meinen Unterlagen las, war mal so gar nicht das, was ich aussagen wollte, bzw. was der (meiner) Realität entspricht.

Aber gut, nun bin ich schlauer. und trotzdem wird es nicht leichter. Denn was für den einen total wichtig ist, ist für den anderen nicht mal ein Blick Wert. Und an wen man man gerät, weiß man ja auch nie.

Gut, dass Zeugnisse Schall und Rauch sind, weiß ich auch. Dass manche Stellen außerdem manchmal nur zum Schein ausgeschrieben werden, hatte ich schon mal gehört. Aber nun wurde es mir noch einmal aus erster Hand bestätigt. Sowas ist echt abartig. Da macht man sich die Arbeit und dann gibt es die Stelle gar nicht. Weiß man nur halt nicht und so denkt man dann, man wäre nicht gut genug. Andersrum würde ich für solche Unternehmen arbeiten wollen?

Und dann regt sich da langsam so ein bisschen der Revoluzzer in mir. Ich geb mir voll die Mühe und dann liest man meine Unterlagen nicht mal vernünftig und wo immer alle heute so agil und wandlungsfähig sein sollen, wird man als unstet und illoyal beurteilt, wenn man sich die Welt mal ein bisschen angesehen hat. Dabei ist es genau andersrum. Ich hab halt nicht jedes Mal das Hemd gewechselt, wenn ich gekonnt hätte, sondern habe meinen Weg verfolgt. Kommt aber halt noch nicht so rüber, also schraube ich jetzt an dem ersten Eindruck den sich Personaler angeblich innerhalb einer Minute machen. Und wenn das echt stimmt, dann Gute Nacht. Denn dabei dürften jede Menge gute Leute durchs Raster fallen. Nur weil Sie nicht auf den ersten Blick in eine Schablone passen. Traurig.

Ein ehemaliger Chef von mir hat mir sogar selbst mal gesagt, dass er mich vermutlich nicht eingestellt hätte, wenn er nur meinen Lebenslauf gesehen hätte. Tatsächlich hat er mich in sein Team geholt, weil er meine Arbeit kannte. In dem Unternehmen habe ich damals echt was bewegt. Dazu wäre es nicht gekommen, wenn man mich nur anhand von Papier bewertet hätte...

Aber da jetzt auf Dickkopf zu machen wird halt nicht gehen, denn dann hab ich an Sankt Nimmerlein  noch keinen  neuen Job. Also nehme ich nun die neuen Infos und setze sie zu meinem Vorteil ein. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben? Ich habe beschlossen, dass die Antwort Nein ist. Denn leider geht es in der Arbeitswelt nicht fair zu. Und auch wenn ich jetzt nicht zum Arschloch mutieren will, aber am Ende sind die, die fair spielen im Nachteil.

Viele Grüße aus Ruhr York

Pottnudel


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