Ein Jahr

Heute vor einem Jahr tauchte der der erste Corona-Fall in Deutschland auf. Scheinbar bei einem deutsch-chinesischen Arbeitsmeeting ist es passiert. 

Ein paar Tage später wurde mein Friseurtermin abgesagt, weil die Friseurin plötzlich sehr krank wurde. Am Telefon stammelte ihre Kollegin etwas von Corona-Verdacht. Da dachte ich noch so: Na Leute... 

Ja, das es mal eine Pandemie geben kann, war bekannt. Aber beim ersten Mal SARS haben ja auch alle wild mit den Armen gefuchtelt und nix ist passiert. Vogelgrippe, Schweinegrippe, hört man alles immer mal wieder. Corona ging damals durchaus schon zunehmend durch die Medien, aber was da auf uns zukommen würde, hat sich kaum einer ausmalen können.

Ein Jahr später ist Homeoffice plötzlich für viele Leute was Normales, wir schütteln keine Hände mehr, auch der sich zwanghaft hebende Arm ebbt ab, Umarmen und unter Menschen sein ist auch nicht mehr, Masken und Desinfektionsmittel in der Handtasche sind normal, ebenso der primäre Sozialkontakt über das Telefon und Videoapps. 

Und ich könnte fast über die Ironie lachen, dass ausgerechnet heute früh mein Körper Ungemach meldete. Tatsächlich kämpfe ich gerade schon wieder mit den Tränen. 

Innerhalb von zwei Stunden ging es mir heute früh so schlecht, dass ich mich krank meldete und meinen Arzt anrief. Wie ich das jeden Winter tue, wenn mich die Seuche anspringt und ein paar Tage ans Bett fesselt. Dann gehts kurz hin, AU abholen und ab nach Hause, die Seuche wegschlafen.

Symptome wurden vorab schon abgefragt, wie immer. Um 11 sollte ich kommen. Das ist die normale Akutsprechstunde. Kenne den Arzt schon seit vielen Jahren und somit auch die Abläufe dort. Beim letzten Mal hatten wir noch über Corona geschnackt. Er ist von der entspannten und pragmatischen Sorte. Das mag ich so an ihm. 

Dort angekommen, wurde ich kurz eingecheckt. Im Hinterzimmer fiel der Satz: Jetzt gleich kommen die Viruspatienten. Dann musste ich draußen warten. Außer mir war keiner da, das Sprechzimmer war gesperrt. Schließlich wurde ich hereingerufen, musste sofort auf den Balkon durchgehen. Dort stand mein Arzt in voller Schutzmontur. 

Das war ein wirklich schlimmer Moment. 

Noch im Sommer hatte er auf Maske und Co. verzichtet und sogar Hände geschüttelt. Nun ist hier Corona aber auch angekommen. Und mir war auf der Stelle schlecht. Denn ja, man denkt schon, was einen da gerade angesprungen hat, aber an Corona denkt man dann ja doch nicht gleich. Ich trage FFP2-Masken seit Wochen und dürfte Desinfektionsmittel schon in der DNA haben. Ich hatte so eher die Nebenhöhlen in Verdacht.

Der Test ging schnell und ich konnte den Würgereiz gerade noch nieder kämpfen. Unterlagen mit Krankschreibung und QR-Code waren schon fertig. Und schon war ich wieder draußen. 

Und dann liefen die Tränen. 

Ich mein, ich hab ja jetzt nicht die letzten 12 Monate auf dem Mond gelebt, hatte Fälle im Freundeskreis und war selbst zwei Mal in Quarantäne. Aber das heute war wie ein Schlag mit dem Baseballschläger. Ich war auf diese Situation einfach nicht vorbereitet. Dann kamen die Gedanken, was wenn du es doch hast. Du bist Risikopatientin mit deiner Lunge. Wo kann das jetzt überhaupt hergekommen sein, ich pass doch so sehr auf!?

Und einfach diese sehr visuelle Erinnerung, wie sich unsere Welt in einem Jahr verändert hat. Der Mann, dem ich seit vielen Jahren meine Gesundheit anvertraue und der immer einen Schnack hält, steht da plötzlich wie ein Marsmensch. Alles muss schnell gehen, denn für den Moment bin ich eine potenzielle Gefahr. Scheißgefühl, echt. 

Nun heißt es also warten und hoffen. Bei meinem AG wurde die Vorwarnstufe ausgelöst, denn ausgerechnet gestern war ich noch im Büro. Kacke alles...

Traurige Grüße aus Ruhr York

Pottnudel


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