20 Jahre

 Die berühmte Frage: Wo warst du am 11.September 2001? Können auch fast 20 Jahre nach dem Anschlag auf das World Trade Center immer noch sehr viele Menschen beantworten. 20 Jahre - Das ist eine sehr lange Zeit. Und doch erscheint es mir fast wie gestern. Als blutjunge Journalistin erlebte ich damals die Krisensituation sehr intensiv. Gleichzeitig die Sorge um Freunde und Verwandte vor Ort. 

Was folgte war ein massiver Vergeltungsschlag der tief getroffenen USA und 20 Jahre Besatzung. Auch deutsche Soldaten kämpften und starben in diesem Krieg. Milliarden wurden in den Aufbau einer afghanischen Regierung und  Armee gesteckt, damit sich das Land am Ende selbst gegen die Taliban verteidigen kann.

20 Jahre lang. 

Und dann überschlagen sich die westlichen Länder plötzlich, ihre Truppen abzuziehen. Und nur wenige Tage später sind die Taliban wieder da. Teils haben die afghanischen Soldaten ihnen kampflos die Städte und Provinzen überlassen. Denn in 20 Jahren scheint niemandem aufgefallen zu sein, dass viele Gelder in den Taschen korrupter Politiker versackten und die Soldaten oft über Monate nicht bezahlt wurden, während ihnen die Kugeln der Taliban um die Ohren flogen. 20 Jahre hat es gedauert, um zu merken, dass die Taktik der Hilfe zur Selbsthilfe nicht aufging. 20 Jahre wurden Gelder ohne Kontrolle der Umsetzung bezahlt. 20 Jahre wurden Waffen an eine Armee geliefert, die sie nun den Taliban übergaben um die Terroristen noch zu stärken. Weil die afghanische Armee keine Ideale sah, für die es sich zu kämpfen lohnte. Denn ihnen wurde nicht mal ihr Sold ausgezahlt, während sich feiste Politiker die Taschen voll stopften.

Das der Einsatz irgendwann enden musste, war klar, aber die Untätigkeit bei der Ausreise der Ortskräfte zeigt deutlich, dass keiner gemerkt hat, dass 20 Jahre für die Katz waren. Inklusive der Tod all derer Soldaten, die dort gefallen sind. Für das was der Westen für Frieden und Freiheit hält. Für den Versuch einem Land mit vollkommen anderen Idealen und Glauben unsere westlichen Ideen überstülpen zu wollen. Das haben andere Kriege auch schon nicht geschafft. Und die Taliban brauchten auch dieses Mal nur geduldig zu warten, bis die Ausländer wieder die Koffer packten. 

Und nun spielt sich ein Drama von historischem Ausmaß in Afghanistan ab. Denn die fehlende Loyalität zur korrupten Regierung heißt nicht, dass die Menschen dort die Taliban und ihr Terrorregime willkommen heißen. Viele Afghanen haben mit geholfen und die westlichen Besatzer unterstützt, in der Hoffnung auf den so lang ersehnten Frieden. Viele verstecken sich in diesen Stunden, denn ihnen ist klar, dass ihre Tätigkeit für den Westen sie zur Zielscheibe für die Taliban macht. Lange vor dem Abrücken der ausländischen Soldaten wurden viele von ihnen bedroht. Sie baten um Visa, sollten sich die Dinge zum Schlechten wenden. Doch sie wurden nicht gehört. Und nun ist es für zehntausende von ihnen zu spät. Sie können das Land nicht mehr verlassen. Selbst wenn sie es überhaupt bis zum Flughafen nach Kabul schaffen würden. Denn die Straßen sind längst unter der Kontrolle der Terroristen.

Selbst in Kabul ist kein Durchkommen. Sicherheitskräfte der gefallenen Regierung beschießen sich gegenseitig, Plünderer sind unterwegs. Es ist schwer zu erkennen, wer wer ist. Und mitten drin sitzen immer noch Journalisten und berichten über das Drama und versuchen selbst sich in Sicherheit zu bringen. Unter ihnen ehemalige Kollegen und Freunde von mir. Ihnen war das Risiko klar, aber auch die mehrfache unfassbare Fehleinschätzung der deutschen Regierung zur Situation hat dazu beigetragen, dass sie nun um ihr Leben fürchten müssen. Denn hierzulande dachte man ja, dass alles toll sei in Afghanistan und noch viel Zeit bliebe um im Notfall zu evakuieren. Eine weitere Fehleinschätzung, die Menschenleben kosten wird.

20 Jahre...



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