Bye Bye 2020

Als ich vor einem Jahr den Rückblick schrieb, war Corona zwar schon Thema in den Medien. Was da auf uns zukommt, hat aber wohl kaum einer geahnt. Gut, dass Pandemien definitiv ein Thema sind, war kein abstruses Märchen, aber wann es mal soweit ist und ob es die eigene Generation trifft, weiß man dann ja doch nicht. Zumal das Thema Sars, Mers und Co. ja schon in der Vergangenheit durchaus mal in den Medien war, aber China ist ja doch so weit weg, nicht wahr?

Das hatte ich mit Anfang 20 auch noch gedacht, als mich die Sars-Quarantäne dann doch fast erwischt hat. Die Frau eines Kollegen kam nachts aus China zurück, da lernten wir hier gerade das Wort Vogelgrippe kennen. In der Nacht wurden Passagiere des Flugs krank und am nächsten Morgen fingen Mitarbeiter des Gesundheitsamtes meinen Kollegen ab, als er gerade ins Büro (zu mir und meinen Kollegen) wollte. Er war spät dran an dem Tag. Das war unser Glück. Aber damals habe ich zum ersten mal begriffen, wie schnell ein Ereignis am anderen Ende der Welt an die eigene Tür klopfen kann.

Als an die Tür klopfen kann man Corona wohl auch nicht mehr bezeichnen. Es hat in allen Teilen der Welt gewütet und unser Leben massiv verändert. Innerhalb eines Jahres haben wir gelernt, das unsere Welt auch virtuell recht gut funktioniert. Wäre die Pandemie vor 20 Jahren passiert, hätte das ganz anders ausgesehen. Aber Corona hat uns auch gezeigt, dass der Mensch nicht einsichtig und sozial ist. Ausnahmen gibt es sicherlich, aber wir haben mehr verwirrte Aluhut-Träger den je durch die Städte marschieren sehen und auch jetzt, wo von Mutationen und Rekordzahlen an Toten berichtet wird, fahren massenhaft Leute in die Skigebiete. Der Mensch ist vom Prinzip her Lernfähig und Vernunftbegabt. Aber er schöpft sein Potenzial nicht aus. Und so muss ich bei den pseudo "Gemeinsam schaffen wir das"-Werbungen inzwischen auch nur noch zynisch lachen. 

Diese Einsicht war vermutlich die schwerste für mich dieses Jahr. Jeder ist sich selbst der nächste. Gut, ich hab ja auch vorher nicht auf dem Ponyhof gewohnt, aber leergehamsterte Regale, schlimme Szenen im Supermarkt, Leute, die immer noch die Maske als Halstuch benutzen und speziell immer wieder alte Menschen, die drängeln und schubsen - das alles geht mir extrem auf die Nerven. Besonders, wenn gleichzeitig geliebte Menschen mit dem Virus kämpfen und man sich jede Minute Sorgen um sie macht.

Dieser Umgang einiger Menschen mit dem Virus, aber auch meine Assinachbarn und die Entwicklungen in meinem Wohnviertel haben dieses Jahr oft für heiße Wut in mir gesorgt. Ich bin auch sonst nicht gerade der geduldigste Mensch, aber so ein krasses Gefühl von Hass und Wut, das kenne ich sonst nicht. Und ich will das auch nicht. Aber ich kann die Welt nicht ändern, also ist Flucht und Verdrängung der einzige Weg, bevor mir sonst wirklich mal die Schnur reißt.

Und so schaltete ich die Medien mal einige Zeit komplett aus und danach nur sehr selektiv wieder an. Meine Einkäufe bestelle ich abholbereit vor. Und ich überlege mir mehrfach, ob ich wirklich wohin fahren muss, wo viele Menschen sein könnten. Nie habe ich mir mehr eine einsame Insel gewünscht, als in 2020. Und somit ist auch das Thema Umzug nun endlich unter Dach und Fach. Nicht auf eine einsame Insel und auch wenn es sich ein wenig so anfühlt, wie vertrieben werden. Aber egal, nur weg hier. Kürzlich erzählte eine Freundin von Bekannten, die ebenfalls umziehen, weil die Zahl der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Clans vor ihrer Tür zu viele werden. Es stellte sich heraus, dass diese Leute quasi Nachbarn von mir sind.

Nun habe ich glücklicherweise die Mittel, einfach meine Sachen zu packen und in eine Gegend zu ziehen, wo eine Wiederholung der hier passierten Ghettoisierung eher unwahrscheinlich ist. Aber was ist mit den Leuten, die sich das nicht leisten können? Und ebenso wie ich keinerlei Hilfe bekommen, weil unser System mit dem Thema total überfordert ist? Das desillusioniert ebenfalls und es ist keine Änderung in Sicht, denn auch wenn jetzt hier häufiger mal Clans "geärgert" werden, wirklich bei der Wurzel packt man das Problem nicht. Und so dürfte sich das Thema gesellschaftliche Spaltung in den kommenden Jahren noch weiter verschlimmern, mit allen Nuancen. Ich musste ja leider am eigenen Leib erfahren, wie schwer Toleranz fällt, wenn man täglich hautnah mit den Missständen konfrontiert wird.

Ich versuche das alles nun auszublenden und so langsam freue ich mich auf das neue Heim. Der Aufmaßtermin für die Küche steht. Auch wenn der Weg dahin ein bisschen holperig war. Denn mit in Ruhe mal ein paar Küchen ansehen war ja nicht. Glücklicherweise hatte ich schon eine Küche im Auge, die ich auch noch in Natura sehen konnte, bevor die Geschäfte wieder schließen mussten. Die jetzigen Mieter meiner neuen Wohnung waren auch super entgegenkommend und so steigen die Chancen, dass bei meinem Einzug auch zeitnah die Küche kommt. Der Umzugstermin wird Anfang Januar finalisiert. Mein Maler liegt mit Corona darnieder, aber ich denke mal bis Januar kriegen wir die Abstimmung da auch hin. Die Kündigung für meine alte Wohnung ging gestern zur Post und die ersten Umzugskartons habe ich gestern bekommen. Muss mich gerade ein bisschen zusammenreißen, damit ich nicht schon loslege. Sonst stehen mir die Kartons die nächsten Wochen nur im Weg. Aber die letzten Wochen werden auch schnell rumgehen und dann gehts endlich los. 

Beruflich war es ein sehr durchwachsenes Jahr. Im Januar waren die Angebote noch zahlreich. Je mehr Corona sich breit machte, desto mehr wurde auch der Arbeitsmarkt mau. Und ich habe sehr mit mir gekämpft, nicht das erstbeste Angebot zu nehmen. Was auch im Zuge der weiteren Entwicklungen genau richtig war, denn die meisten potenziellen Arbeitgeber mussten im Laufe des Jahres wieder Personal freisetzen und Projekte kippen. Ich wäre vermutlich wieder arbeitslos geworden. Mein neuer Job war ein großer Sprung über meinen Schatten, denn ich wollte nicht unbedingt Chefin werden. Dennoch hat sich heraus gestellt, dass ich in der Rolle teilweise sehr aufgehe und sehr viel lernen aber auch geben kann. Und ich habe endlich mal einen echt guten Chef erwischt. Die Situation wird zumindest teilweise in absehbarer Zeit endlich sein, denn das Transformationsteam wird so nicht ewig bestehen bleiben. Aber für die nächsten drei bis vier Jahre ist es allemal gut und ich kann mir in Ruhe Gedanken machen, wie es dann weitergehen soll. Und wie auch dieses Jahr mal wieder gezeigt hat, tun sich manchmal Chancen auf.

Am Ende hat das Jahr sich also noch gut gewendet und mich in einigen Bereichen voran gebracht. Trotzdem, dass die Welt gerade Kopf steht. 

Mit den Zielen für 2021 ist das so eine Sache, denn die Welt wird noch eine Weile im gedämpften Modus laufen. Bis mal alle soweit geimpft sind, unter der Voraussetzung, dass nicht doch eine Mutation die ganze Schose von vorn beginnen lässt. Und wie die Welt dann aussieht, weiß auch noch keiner. Die Wirtschaft muss sich erholen und trotz Impfungen wird Corona nun wie die Grippe immer ein Teil unseres Lebens bleiben. Werden wir zu Zeiten von Wellenausbrüchen nun immer Masken tragen müssen und weitere Lockdowns hinnehmen müssen? 

Ich halte mich also mal vorsichtig zurück, mache mir erstmal keine Hoffnungen auf Urlaubsreisen und investiere in mein neues Heim. Denn immerhin habe ich die Pandemie bisher gut überstanden, bin gesund geblieben und Dinge haben sich zum Positiven gewendet. Also eine komplett andere Situation, wie noch vor einem Jahr und sicher eine deutlich bessere Situation, als so mancher Selbstständiger, Kurzarbeiter oder Kranker von sich sagen kann.

In diesem Sinne, bleibt gesund und haltet durch. 

Viele Grüße aus Ruhr York

Pottnudel


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