Einfach mal Lachen

Ich bin ein emotionaler Mensch, sagt mein Chef. Und da hat er recht. Ich bin auch sehr direkt, passioniert, totehrlich und entweder reiße ich Menschen mit oder ich überrumple sie. Dennoch ist meine Energie auch etwas, was mir hilft schwierigste Situationen zu meistern. Und da unterscheide ich mich tatsächlich von vielen Kollegen in meinem Metier. Wo andere die Brocken werfen, drehe ich Projekte in die Erfolgszone. Durch all die Krisen, die ich gesehen habe, sehe ich sie nicht nur kommen, sondern bewahre inzwischen ein ganzes Team vor Fallstricken, so dass wir selbst in der Todestransformation derzeit, relativ unfallfrei ein Monsterprogramm in Mordstempo liefern.

Zumindest der emotionale Teil ist etwas, was ich jetzt als Führungskraft aber echt im Zaum halten muss. Trotzdem klappt das manchmal nicht. 

Was mir bisher nie so klar geworden ist, ist dass diese Schwäche auch gegen mich verwenden kann. Denn wenn Leute mir was wollen, brauchen sie nur gewisse Knöpfe drücken und haben dann einen guten Grund, mich doof dastehen zu lassen. Egal, wie gut ich meinen Job sonst mache. Und ich mache ihn offensichtlich sehr gut, wie mir versichert wird. Was aber eben nicht nur Anerkennung auf den Plan ruft, sondern auch Neider. 

Denn da ist zum Beispiel dieser Kollege, der mal der Nachfolger meines Chefs werden soll. Und da er von Tag eins an mit Inkompetenz glänzt, mein Chef aber seinen Ausstieg in spätestens zwei Jahren plant, hat er ihn erst mal auf ein Podest gestellt. Also werde ich den Teufel tun, diesen Kollegen zu kritisieren. Aber den ganzen Bullshit von ihm schlucken, ist echt Schwerstarbeit. Aber ich halte mich noch gut, lächle und winke. Und der Typ brodelt. Zumal mein Team echt gut performt, während aus seinem Bereich nur Kacke kommt und er immer wieder an seine Verantwortungen erinnert werden muss. Die er nicht vergisst, sondern gar nicht als seine sieht.

Gleichzeitig ist er von der Fraktion, die die Arbeit anderer als seine eigene ausgibt. Und da habe ich jetzt mal einen Riegel vorgeschoben und dezent dafür gesorgt, dass klar wird, von wem welche Arbeit kommt.

Das wurde auch gesehen und der Kollege musste sich erklären. Gleichzeitig wurde es zum Anlass genommen, gewisse Aufgaben mal wieder an ihn zurück zu geben. Was ihm gar nicht schmeckte. Und da dieser Kollege nach Außen immer das Gesicht wahrt, gibts dann hinten rum Zunder.

Also bin ich eigentlich doch sehr dankbar, dass mir mein Chef das alles so klar vor Augen geführt hat. Denn während ich noch das Gespräch mit ihm verdaue, kommt mein "Lieblingskollege" schon wieder um die Ecke und er weiß offensichtlich genau, wie er mich auf die Palme bringt. Oder er glaubt es. 

Und wie mir gerade der Puls hoch steigt, kommt mir mein Chef in Erinnerung. Also führe ich mir vor Augen, wie oft ich allein diese Woche bei diesem Kollegen Volltreffer gelandet habe. Teils mit Absicht, teils unbeabsichtigt. In einem Meeting konnte sich mein Chef außerdem auch nicht verkneifen, dem Kollegen einen ordentlichen Seitenhieb zu geben. Vor mir. Und das muss ihm nochmal so richtig zugesetzt haben, denn die Fassade hatte echt Risse. Dann musste ich in ein Meeting dazu kommen, weil er es nicht in den Griff bekam. Innerhalb weniger Stunden war alles geheilt und da ein Spitzel des CEO anwesend war, ist es auch direkt da gelandet. Anschließend wollte er in einem Workshop eine sehr mittelmäßige Leistung als Best Practise von mir bestätigt wissen. Ich war darauf nicht vorbereitet und habe ehrliches Feedback gegeben. War nicht so in seinem Sinne. Auch, als der Chef offen sagte, dass mein Team seine Aufgaben ohne Probleme übernehmen kann, aber nicht umgekehrt, hat ihm das nicht geschmeckt.

Ich will den Job von meinem Chef nicht geschenkt, aber ich mache mich nicht künstlich klein und das setzt eben jenen angehenden Möchtegern jetzt unter Druck. Also war es ja eigentlich absehbar, dass vermeintlich freundliche Mails kamen, gespickt mit Triezereien und beinahe wäre ich ihm auf den Leim gegangen. Und wie ich so auf dem Balkon stehe und mein Gemüt kühle, wird mir plötzlich total klar, was mein Chef meinte. Der Typ kann sich offen nicht gegen mich stellen, also muss er mich aus der Reserve locken. Und wie ich gerade so denke, wie oft der Typ gerade auf die Fresse bekommt, musste ich einfach nur lachen. Und ja, Schadenfreude wahr auch dabei, bin ja auch nur ein Mensch. 

Worüber ärgere ich mich? Der Typ ist ein Clown. Und egal, ob seine Inkompetenz gesehen wird. Wenn ich ihm an den Hals springe, kann ich nur verlieren. Also sollte ich seine Versuche, mir Fallen zu stellen eher als Ansporn nehmen, keine Fehler zu machen.

Und so sehr ich meinen Job liebe, aber ist das meine Welt? Diese ganze Politik und das Gerangel um Positionen? Und das ist es, was mich wirklich beschäftigt. 

Ich will sicher nicht in die C-Suite. Ich will mein Wissen erweitern, teilen und auch immer die Möglichkeiten haben, mir die Hände selbst schmutzig zu machen. Und da hänge ich zwischen den Welten. Viele Manager können vielleicht delegieren, aber nicht im Notfall selber machen. Dafür beherrschen sie diese ganzen dummen Spielchen deutlich besser, als ich. Ich habe mich schon so oft gefragt, warum so viele Manager so aalglatt und unpersönlich sind. Offensichtlich, weil sie ständig auf der Hut sein müssen. Boah, das ist echt so gar nicht meins.

Also wohin geht der Weg für mich? Ich google schon die ganze Woche, wie man Sprinter in Camper umbaut. Damit fahre ich dann um die Welt, muss nur hier und da mal Sprittgeld erjobben, aber der ganze politische Kram bleibt mir erspart. 

Oder ich mache doch endlich mein Cafe auf und backe den ganzen Tag Waffeln. Die Welt braucht mehr schöne Sachen, sollen sie sich doch in der Chefetage die Köppe einschlagen, aber bitte ohne mich.

Viele Grüße aus Ruhr York

Pottnudel


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